Der Wortstamm «barak» für «segnen» taucht in der hebräischen Bibel dort auf, wo die deutsche Sprache zwei Handlungen unterscheidet. Einerseits bezeichnet barak den Segen, den Menschen sich untereinander geben können und den G’tt gibt. Barak meint andererseits aber auch «loben», «preisen» oder «Dank sagen» und beschreibt eine Handlung, die Menschen G’tt gegenüber tun. Auch der lateinische (benedicere) und der griechische (eulogein) Begriff für Segen wird für beide Handlungen gebraucht und meint wörtlich übersetzt ungefähr «gut sprechen», also von jemandem gut sprechen, jemanden loben. Es ist nicht allein die deutsche Sprache, die hier ein «Von-oben-nach-unten» und ein «Von-unten-nach-oben» in diese Handlung trägt und zu unterscheiden beginnt. Diese Hierarchie, die im ursprünglichen Begriff nicht angelegt ist, findet sich in der Segenspraxis der ganzen globalen Kirche. Diese kleine Verschiebung baut in das Segnen auf Augenhöhe eine Hierarchie ein, ein Von-oben-nach-unten. Fest steht aber: Menschen segnen einander, Menschen segnen G’tt und G’tt segnet Menschen – schon in der Bibel. Alle können barak tun, barak sein. Barak ist immer dann, wenn Begegnung stattfindet, wenn Gemeinschaft gestiftet wird, wenn Schwellen und Übergänge das menschliche Leben prägen, wenn sich Freude an und Vertrauen in G’ttes Macht im menschlichen Alltag ausdrücken will. Barak ist Dankbarkeit – nicht um die Dinge schönzureden, sondern um auf sie einzuwirken, durch gutes Sprechen, durch Segen. Barak ist auch eine Art Grussformel, die tiefer dringt, die die g’ttliche Dimension jedes Menschen in den Gruss hineinnimmt. Ein befreiendes Verständnis von G’tt definiert G’tt zwar als «Macht in einem noch zu bestimmenden Sinn», weiss aber, dass diese Macht nicht unbezogen, absolut und unabhängig sein kann, sondern «uns Menschen braucht», wie es Dorothee Sölle formuliert.
Selbst wenn der besagte Erzbischof seine «Segens-Kompetenz» nicht theologisch rechtfertigen könnte, so würde ihm als Legitimation doch die tägliche patriarchale Praxis seiner Kirche dienen: So ist das eben, und zwar schon lange. Diese Gewohnheiten – Männer sind intellektuelle Gesprächspartner, Frauen natürlich begabt in der Sorgearbeit; den Segensworten eines Klerikers wohnt eine Art spirituelle Autorität inne; zwischen profanen Alltagstätigkeiten und sakralen Handlungen gibt es eine klare Trennung – sind tief verkörpert, sedimentiert in unserem Habitus, im Habitus einer ganzen Kirche. Auch Monseigneur meint das alles vielleicht nicht bewusst so – und tut es dennoch. Es ist eben ungewohnt, einander zu sagen: Ich segne dich, ich will für dich Segen sein, du segnest mich, wir segnen G’tt. Aber vermutlich braucht G’tt unseren Segen gerade sehr – während die Schreckensnachrichten in den Medien sich häufen, die Nerven blank liegen und die Sorge um die Welt G’tt um den Schlaf bringt.