Wunder

Benjamin Ruch, 18. Dezember 2021
Neue Wege 12.21

Wunderlampe, 
Wundermittel, 
Wundertüte, 
Wunderhand, 
Wunderdokter, 
Wundermittel, 
Wunder­waffe, 
Wundergloube, 
Wunderchammere, 
Wunder­täter, 
Wunderchind, 
Wunderheilig, 
Wundercherze …

Wenn eine «Wunder» seit, 
de dänksch ja zersch a öppis ­Religiöses, mitemene aständige Budget 
– a öppis wie Spontanheilige am Wallfahrtsort in Lourdes 

oder ane gäbige Wäg düres Meer, wie denn dr Brother Moses u syner Lüt im Buech Exodus.

Oder es brucht e Flüssigkeit, wo uf wundersami Wys irgendwo usesüderet – wie ds Bluet us de Häng vom Padre Pio oder d sacratissimo lacte – auso superheiligi Milch – us dr Bruscht vore Mariastatue.

Einersyts geits bimne ­Wunder ums Ygmachte – ums zer­brächleche Läbe, ume Tod, um Gründ u Abgründ vo ­üsere Exischtänz.

Angerersyts brucht es Wunder Züge, irgendeini, wos o gseh het u drvo cha verzelle.

U bi so viu Metaphysik isch o geng guet, wede de glych no ­öppis chasch alänge. 

Wie uf däm Biud vom ­Caravaggio – mitem Thomas, wo vor däm gstorbne, aber wider ­lebändige Jesus steit u mitem Finger i syre Wunde umechaflet zum würklech gloube, dass es ne isch. 

Wenn eine «Wunder» seit, dänksch vielech o a gwöhnlechi Wunder: 
e runde Stei ufem Wäg, 
es letschts Blatt am Boum, 
e chly Schnee ufem Zuun, 
es Spiegubild ir Glungge, 
es Wort ar Muur.

Wenn eini «Wunder» seit, dänksch vielech a serigi, wo gar nid so verwundere wie si sötte: 
E Chatz isch e Chatz, 
e Hand het weniger Finger aus sächs, aber meh aus vier.

Du bisch genau so wie de bisch.

Ob religiös oder nid – mir sy druf trimmt, dass öppis immer en Ursach het. 

Wemer öppis gseh, de erwartemer e Sinn dert drin. 

Wunder chame emne ­Ereignis säge, wo nid rächt klar isch, ­worum dass das itze passiert. 

Es Wunder isch öppis ­mitere ­unerwartete Wändi am Ändi, ­öppis, wo vo Grund uf ke Grund brucht. 
Da stuunsch nume no.

Es Wunder isch öppis, wome cha verzelle. 

Öppis, wo nie passiert, aber immer wahr isch. 

Es sy nid Fakte, wo entscheide, obs Wunder git oder nid – es brucht e Gschicht derzue.

Ungloublechs muesch äbe gloube. 

Es Wunder isch öppis, wone Spur hingerlaht, wo nachehallt, wo nachhaltig isch.

Plötzlech geit e Türen uf, 
ds einte verbindet sich mitem angere, 
du merksch, wie öppis öppis preicht. 

Das heisst: Mir heis ir Hang oder besser uf dr Zunge u 
d ­Wörter derzue, obs Wunder git oder nid. 

Auso, gits itz Wunder? Ja, di zum Bispiu. Mi vermuetlech o. 
U ds Läbe überhoupt. 

Ds bylöifige Wunder äbe: 

Das, wo undänkbar isch – isch dänkbar. ●

Mit diesem Text verabschiedet sich Benjamin Ruch aus der ­Redaktion der Neuen Wege, ­deren Mitglied er seit 2011 war. Die Redaktion dankt ihm für sein langjähriges Engagement herzlich.

 

  • Benjamin Ruch,

    *1983, Fachlehrer für Religion und Seelsorger an der Kantonsschule Baden, wo dieser ­Beitrag Teil des Online-Adventskalenders 2020 war.