Theologie des Extraktivismus

Eduardo Gudynas, 17. September 2018
Neue Wege 9/2018

Mit religiösen Inszenierungen und Glaubenssätzen legitimieren Politik und Wirtschaft in Lateinamerika die schonungslose Aus­beutung der Natur. Eine (religions)kritische Analyse legt offen, wie die MissionarInnen und Priester des Extraktivismus ihre Agenda verfolgen.

In Lateinamerika haben sich in den letzten Jahren verschiedene Formen des «Extraktivismus» ausgebreitet. Darunter verstehen wir die Aneignung oder intensivste Nutzung grosser Mengen von natürlichen Ressourcen, um eine massive Exportwirtschaft unter den Vorzeichen der Globalisierung zu bedienen. Beispiele dafür sind der Tagebau, Erdölbohrungen oder immense Agrarmonokulturen. Diese Aktivitäten wurden seit Anfang 2000 besonders stark gefördert, vorangetrieben durch hohe Preise und eine grosse Nachfrage. In der Folge breitete sich der extraktivistische Sektor aus, und ganze Länder versuchten, dem neuen Paradigma zu entsprechen. Einige bezeichneten sich plötzlich als «Bergbaunationen», um diesen Sektor zu fördern, andere begannen mit der Suche nach Erdölvorkommen. Dies hatte negative ökologische, territoriale, soziale und wirtschaftliche Folgen. Als Konsequenz entstanden in sämtlichen Ländern des Kontinents soziale Konflikte, wobei lokale Gruppen gegen diese Projekte protestierten. Einmal mehr war die einfache bäuerliche oder indigene Bevölkerung am meisten betroffen.Extraktivismus wurde ein zentraler Faktor zur Erklärung sozialer Landkonflikte und der Ausrichtung der Wirtschaftspolitik einzelner Länder. Extraktivismus durchkreuzt den Fächer parteipolitischer Ideologien. Auf den Zug des Extraktivismus stiegen sowohl konservative Regierungen wie jene von Juan Manuel Santos in Kolumbien als auch der Sozialismus des 21. Jahrhunderts in Venezuela auf.

Zudem war der Extraktivismus ein massgebender Faktor, der sogenannt progressive Regierungen ins Wanken brachte, da von diesen ein neues Verhältnis zur Natur und lokalen Gemeinschaften erwartet wurde, diese schlussendlich jedoch gleich ausbeuterisch agierten und ebenfalls auf Konfrontation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen setzten.

In den letzten Jahren wurden die negativen Auswirkungen des Extraktivismus offensichtlich, von der lokalen Umweltverschmutzung bis hin zur Verfälschung ganzer Volkswirtschaften. Darauf weisen lokale Gemeinschaften, Berichte von NGOs, wissenschaftliche Publikationen, Gerichtsfälle oder parlamentarische Anhörungen hin. Aber nichts konnte die extraktivistische Welle aufhalten. Auf beeindruckende Weise negieren, verachten und verurteilen die VerfechterInnen des Extraktivismus Argumente und Tatsachen, um ihre Projekte zu rechtfertigen. In vielen Debatten wird längst nicht mehr argumentiert und stattdessen auf eine neue Strategie gesetzt: Rechtfertigung mit religiösen Argumenten. Dabei wird ein Glaube genährt, dass wirtschaftlicher Wohlstand geschaffen werde, dass bestimmte Technologien die negativen ökologischen Folgen verhindern würden, und man ist überzeugt, dass das Fortschritt darstellt.

Diese Glaubensinhalte stellen die VerfechterInnen des Extraktivismus in eine quasi religiöse Dimension. Es wird erwartet, dass beispielsweise die Regierung Maduros in Venezuela mit der Erschliessung eines Berg­bauprojekts im Süden des Landes auf wundersame Weise ihre Krise beenden werde oder dass der Bergbau in Ecuador den Preiszerfall des Erdölexports wettmachen werde. Gleichzeitig wird jede Warnung vor den Folgen des Extraktivismus sofort negiert. Präsident Lula da Silva in Brasilien wiederholte unermüdlich, dass die Staudammprojekte im Amazonas keine signifikanten negativen Auswirkungen hätten, und die Regierung Rafael Correas in Ecuador versichert weiter, dass der Bergbau unschädlich sei.

Göttliche Legitimation

Möglicherweise ist die Religiosität des Ex­traktivismus in Kolumbien am offensichtlichsten. Christentum und Bergbau, so hiess der Titel einer Konferenzreihe, die Mitte 2013 in der Kirche Casa sobre la Roca in der Provinzstadt Bucaramanga stattfand. Die Veranstaltung hatte zum Ziel, «Raum für Debatten zu wirtschaftlichen Themen für mehr Entwicklung und die Zukunft hunderter Gemeinden» zu schaffen. Viele der Teilnehmenden waren ausgewiesene Persönlichkeiten der Privatwirtschaft, wie etwa der Geschäftsführer des kolumbianischen Industrieverbandes ANDI, der CEO der kanadischen Bergbaufirma Eco Oro Minerals Corporation und der Geschäftsführer ihrer kolumbianischen Tochterfirma. Als Vertreter der Regierung war der Umwelt- und Landverteilungsminister anwesend.

Als Ort der Veranstaltung wurde jene Region gewählt, die einen zähen Widerstand gegen Bergbauprojekte in ihrer Region führt, vorwiegend gegen Goldminen. Die Debatten leitete ein Pastor, der dafür betete, dass «Gott die Verantwortlichen erleuchten möge, um die richtige Entscheidung zu treffen für die Zukunft dieses Wirtschaftszweiges in ihrem Departement».

Der Geschäftsführer des Industrieverbands erklärte darauf, dass die verschiedenen Arten des Bergbaus keinerlei negative ökologische Auswirkungen generierten und stattdessen die Entwicklung der örtlichen Gemeinden förderten. Gegenteilige Behauptungen seien Verdrehungen der Presse. Darauf zitierte der CEO des kanadischen Multis ein Fragment aus der Genesis-Erzählung der Bibel: «Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. Der eine heisst Pischon; er ist es, der das ganze Land Hawila umfliesst, wo es Gold gibt. Das Gold jenes Landes ist gut; dort gibt es auch Bdelliumharz und Karneolsteine.» (Gen 2.10-12)

Auf diese Weise wurde versucht, den Berg­bau als göttlich legitimiert zu präsentieren, das Gold als himmlischer Segen und nicht als Fluch. Während in anderen Ländern die Religiosität zur Rechtfertigung des Extraktivismus verdeckt praktiziert wird, geschieht dies in Kolumbien mittlerweile öffentlich.

Der aktuelle Extraktivismus muss auch als theologische Kategorie analysiert werden. Die Dynamik, die ihn legitimiert und gleichzeitig das Bergbau- und Erdölgeschäft vorantreibt, gleicht eher religiösem Glauben und weniger einer analytischen Logik, bei der von Argumenten, wissenschaftlicher Information und Analyse der Folgen ausgegangen wird.

Nimmt man zur Kenntnis, dass religiöser Glaube oftmals verwendet wurde, um die Loyalität gegenüber dem Staat oder politischen Organisationen zu garantieren, erstaunt das nicht. Gleichzeitig wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Idee von Entwicklung letztlich eine religiöse Dimension enthält. In diesem Sinne liesse sich das Argument eines «Extraktivismus-Glaubens» anführen, um die Unterstützung und Verbreitung von Entwicklungsstrategien zu erklären, die auf der Ausbeutung natürlicher Güter und der Verdrängung ihrer negativen Folgen basieren.

Glaube an die Ausbeutung

Die Perspektive der politischen Theologie ist hierfür hilfreich. Im Anschluss an die Überlegungen von Graham Hammill und Julia Reinhard Lupton bezieht sich die politische Theologie nicht auf Regierungsformen oder historische Verschiebungen von einer religiösen hin zu einer säkularen Gesellschaft, sondern auf die Verbindung der diskreten politischen und theologischen Machtbereiche. Das ermöglicht die Analyse von heiligen Erzählungen, liturgischen Motiven und Formen, die dazu dienen, gewisse politische Ordnungen zu errichten, zu legitimieren und zu begründen. Das öffnet Türen, um Wechselbeziehungen von politischen und religiösen Sphären aufzudecken. Im Fall des Ex­traktivismus bedarf es einiger Anpassungen, da es sich um eine Aneignung von natürlichen Ressourcen handelt. Die «Politik» der politischen Theologie wird in diesem Fall zu einer «politischen Ökologie», weil der Extraktivismus von einer eigenen Vorstellung der Natur und der Art der Aneignung von Naturgütern als Ressourcen geleitet wird. Die ökopolitische Theologie des Extraktivismus beschreibt, auf welche Weise «Wörterbücher absoluter Metaphern» konstruiert und «Rollen von Mythen und Phantasien kreiert [werden], um bestimmte Kollektive zu stützen und am Leben zu erhalten». Das wird dann etwa in der Idee ausgedrückt, dass ein bestimmtes Land ein «Bergbauland» sei, so als ob im Wesen einer Nation die Bestimmung des Bergbaus eingraviert wäre.

Da wir es mit einer Theologie des Extraktivismus zu tun haben, können wir darin heilige Erzählungen, Kirchen mit eigenen Liturgien und Feiern sowie Priester und MissionarInnen finden. Die Referenztexte sind die Standardwerke über Entwicklung oder Anleitungen für wirtschaftliches Wachstum, in denen die intime und notwendige Beziehung zwischen Fortschritt und Ausbeutung von Ressourcen begründet wird.

Glaubensakte, Liturgien und Feiern des Extraktivismus sind verbreitet: Feiern zur Entdeckung eines neuen Ölfeldes, die Einweihung von Bergbauwerken oder Landwirtschaftsmessen, die Agrarmonokulturen propagieren. Eine der eindrucksvollsten Zeremonien fand 1972 mit dem «ersten Barrel» Erdöl in Ecuador statt. Bei einer Parade in Quito zur Ausstellung des ersten geförderten Ölfasses wurde dieser Behälter wie eine Ikone verehrt und angebetet.

Ein aktuelles Beispiel für diese Art von Liturgie fand unter Führung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales sowie seiner Minister und Autoritäten bei der Einweihung eines neuen Ölfeldes 2015 statt. In einem zentralen Moment der Feier hebt Morales, auf einem Podest über dem Ölfeld stehend und umgeben von seinen BegleiterInnen, lachend einen Kolben mit schwarzem Rohöl empor. Diese Geste weist eine überwältigende Ähnlichkeit mit katholischen Eucharistiefeiern auf. Bei derselben Veranstaltung machten der Präsident und sein Gefolge Halt vor einer Ölleitung. Sie öffneten eines der Ventile und liessen das Öl vor den BesucherInnen ausströmen. Morales tränkte danach seine Hand im Rohöl, erhob sie und kennzeichnete damit die Helme seiner Gefolgschaft. Die Autoritäten erhielten mit geneigtem Haupt den präsidialen Segen. Die ganze Zeremonie erinnert an Segnungen von Priestern, aber auch an das andine Ritual der cha´lla, in dem PachaMama um Erlaubnis gebeten wird.

Die Feier hatte zweifelsohne zum Ziel, den Glauben der ExtraktivismusbefürworterInnen zu stärken und stellte gleichzeitig klar, dass Kritik an diesem Entwicklungstyp nicht toleriert würde. So verkündete Morales beim selben Anlass ein Ultimatum: «Jede NGO, welche die Ausbeutung der Naturgüter verurteilt, wird des Landes verwiesen.» Damit bekräftigte er einmal mehr, dass die extraktivistische Theologie keine Häresien duldet.

Den Kirchen des Extraktivismus entsprechen in erster Linie die Wirtschaftskammern von Bergbau-, Öl- und Landwirtschaft. Sie sind die wichtigsten Verfechterinnen extraktivistischer Projekte, dort werden gleichzeitig enge Beziehungen mit anderen Wirtschaftskreisen, Regierungen, politischen Parteien und Universitäten geknüpft. Die Akademien nehmen darin die Funktion der Seminarien und theologischen Lehrstätten wahr, in denen Priester, PastorInnen und MissionarInnen ausgebildet werden, um ihre Doktrin zu verbreiten. Diese Rolle übernehmen beispielsweise Geologiefakultäten, Institute für Bergbauingenieurswissenschaften, Wirtschaftsschulen und Fachverbände.

Der Staat übernimmt ebenfalls eine wichtige Rolle, da er extraktivistische Projekte aktiv fördert, sie vielerorts subventioniert und verteidigt, falls ihre Legitimität angegriffen wird. Gleichzeitig ist er eine ideologische Fabrik, die über Bilder und Metaphern die Idee eines «magischen Staates» (Fernando Coronil) befördert und dank der immensen verfügbaren Ressourcen Wunder vollbringen kann.

Die ProphetInnen des Extraktivismus sind jene, die eine wundersame Zukunft verkünden, natürlich dank dieser Ausbeutung. Priester sind jene, die in ihren politischen und universitären Ämtern diese Projekte geduldig verteidigen. MissionarInnen wiederum sind die AgentInnen, die in lokale Gemeinden eindringen, um den Extraktivismus als Projekt für einen besseren Lebensstandard aller zu propagieren. Einer der aktivsten Propheten des wundersamen Extraktivismus ist der ehemalige ecuadorianische Präsident Rafael Correa. Er verwendete wiederholt Bilder, wie jenes eines Landes, das auf Goldsäcken liegt, die ausgebeutet werden müssten, um die Armut auszulöschen.

Die Kirchen des Extraktivismus und ihre AkteurInnen veranstalten ihre jährlichen Feiern, in denen Informationen ausgetauscht, Beziehungen gestärkt und ihr Glaube genährt wird: Bergbaukongresse und Erdölmessen. Ein Beispiel dafür ist Perumin, der grösste Bergbaukongress Perus und einer der wichtigsten des Kontinents. Organisiert wird er vom peruanischen Institut für Bergbauingenieurswissenschaft. Die 32. Ausgabe dieses Kongresses fand 2015 unter dem Leitspruch «Bildung und Arbeit» in Arequipa statt. Sein Ziel war es, «zu bestätigen, dass der Bergbau nicht nur Kapital und Maschinen bewegt, sondern auch Fortschritt beflügelt, Bildung generiert und neue Arbeitsplätze als Stützen der peruanischen Entwicklung schafft». Über 112 000 BesucherInnen aus fünfzig Ländern nahmen am Kongress teil. Bei der Technologiemesse stellten über 700 Firmen aus.

Jene, die den Glauben an Extraktivismus infrage stellen, werden auf der Stelle negiert, in Verruf gebracht oder gar verfolgt. Es ist normal, dass über sie hergezogen wird und sie als Unwissende, Wilde, HäretikerInnen oder Gefahren Verbreitende verurteilt werden. In verschiedenen Ländern wurde das Bild des «Antibergbaus» kreiert, um darin sämtliche negative Attribute der KritikerInnen des Extraktivismus zu versammeln.

Theologie des Extraktivismus und die Moderne

Der Extraktivismus negiert seine Religiosität, indem er sich als rational begründetes Abenteuer und höchster Ausdruck aktueller, neu­traler und objektiver Wissenschaft und Technik darstellt. Auf diese Weise ist Gott im Megabergbau nicht mehr präsent, und auch die Gewinne des Erdölertrags müssen nicht in Glauben gehüllt werden, denn sie entsprechen ja wissenschaftlicher Spitzentechnologie und stellen die Versorgung mit unverzichtbarem Material sicher, um menschlichen Wohlstand zu ermöglichen.

Es liesse sich mit Michael Allen Gillespie argumentieren, dass die angestrebte Säkularisierung als Inbegriff der Moderne, in welcher der Verstand über religiös motivierten Glauben siegt, in Realität eine kontinuierliche Übertragung göttlicher Attribute auf Menschen, soziale und historische Kräfte sowie die Natur darstellt. Er fügt an, dass das, «was im Prozess der Moderne tatsächlich geschah, nicht so sehr das Auslöschen oder Beseitigen der Idee Gottes war, sondern die Übertragung seiner Eigenschaften, Macht und Fähigkeiten auf andere Instanzen oder Bereiche. Der sogenannte Prozess der Entzauberung stellt gleichzeitig eine neue Verzauberung dar, wodurch sowohl der Mensch wie auch die Natur mit neuen Eigenschaften und Mächten ausgestattet werden, die früher Gott zugeschrieben wurden.» Gillespie ergänzt, dass einzig die Wissenschaft in dieser Dynamik stimmige Erklärungen liefern kann, insofern sie göttliche Eigenschaften auf den Menschen überträgt.

Mit diesen Überlegungen möchte ich den direkten Bezug zu dogmatischen Rechtfertigungen des Extraktivismus aufzeigen. Diese Rechtfertigungen reichen von der Übertragung von Naturkräften auf den Menschen bis hin zur Degradierung der Natur zum Rohstoffvorratslager, das rasch und effizient genutzt werden soll, um den Fortschritt anzutreiben. Jede Kritik an solchen Projekten prallt sofort auf Argumente, die sich auf Wissenschafts- und Technologieglauben, Wirtschaftswachstum und menschliche Allgegenwart stützen. Zu akzeptieren, dass beispielsweise der Erdölextraktivismus im Amazonas fatale ökologische Folgen mit sich bringt, käme der Anerkennung der Grenzen von Wissenschaft und Technik gleich – diese Theologie ist nicht bereit, dies zuzugeben.

Die Kritik am Extraktivismus greift nicht nur spezifische Projekte an, wie beispielsweise die Installation eines Bergbauwerks oder die Folgen einer Erdölplattform im Urwald. Sie stellt gleichzeitig grundlegende Glaubensinhalte infrage, die all diese Projekte rechtfertigen, von der Rolle von Wissenschaft und Technik bis hin zum unvernünftigen Festhalten am Entwicklungsweg der Industrieländer. Mit anderen Worten: Die Kritik am Extraktivismus bringt gleichzeitig auch den als modern dargestellten Glauben, der ihn rechtfertigt, ins Wanken. Auf diese Weise begibt sie sich in einen theologischen Disput.

Die Gläubigen des Extraktivismus fühlen sich dabei dermassen angegriffen, dass sie äusserst giftig reagieren. Sie verteidigen nicht nur ein ausbeuterisches Projekt, sondern schützen gleichzeitig ihre innersten Glaubensüberzeugungen. Werden die negativen Folgen des Extraktivismus aufgezeigt, streiten sie diese beispielsweise unter Berufung auf technische Innovation ab. Wird die Idee vom Fortschritt als Mythos offensichtlich, beenden sie Analyse und Dialog und beginnen erneut mit der Bekräftigung ihres Glaubens an Entwicklung. Die Möglichkeiten einer rationalen Analyse sind deshalb minim, weil die Verteidigung dieses Glaubens auf hauptsächlich irrationalen Positionen beruht.

Das soll aber nicht heissen, dass es unmöglich sei, diese Theologien zu enttarnen und darüber hinaus Alternativen zu suchen. Denn all jene, die am eigenen Leib die Folgen des Ex­traktivismus zu spüren bekommen, anerkennen seine Grenzen: überall dort, wo durch Vergiftung wertvolles Agrarland verloren geht, wo Verfolgung erlitten wird. Die Suche nach und das Ausprobieren von Alternativen zur Theologie des Extraktivismus beinhalten notwendigerweise die Rückbesinnung auf die Rolle der Häresien gegenüber den Dogmen.●

Der aus dem Spanischen von Andreas Hugentobler über­setzte und erheblich gekürzte Text erschien ­zuerst 2016 unter dem Titel Teología de los Extractivismos als Einleitung in Tabula Rasa. Revista des Humanidades No. 24 (online unter: dev.revistatabularasa.org/numero-24.php). Dort finden sich auch Anmerkungen und Literaturangaben.

  • Eduardo Gudynas,

    *1960, forscht am Lateinamerikanischen Zentrum für soziale Ökologie (CLAES), Montevideo, am nationalen Forschungskollegium Uruguay und am Departement für Anthropologie der Davis-Universität in Kalifornien. 2016 war er an der Arne-Naess-Professur für Umwelt und globale Gerechtigkeit an der Universität Oslo.