Requiem für eine Aktivistin. Ein Zwiegespräch

Fatima Moumouni, 1. Juli 2017
Neue Wege 7-8/2017

Dieser Text ist eine Hymne an den Mut
und ein Gedicht für den Verstand,
an den Himmel der Wut,
das Gewitter und den Brand.
Es ist für dich und deine Hand,
die du zum Recken geballt,
Richtung voreilig entschiedene Vollstreckungsgewalt.
An deinen Glauben, der wie eine Statue gross,
und die Autorität des Status quo.

Da tief in mir drin.
Schlummert manchmal ein Krieg.
Ich kann selten behaupten,
dass am Ende Generälin Gutwut siegt.
Wohl eher, dass sie dumpftaub verliert,
denn wenn spätnachts im Hirn die letzte Wachheit versiegt,
schlägt zwar oft nur noch Herz,
das ja stetig schlagen trainiert –
und es ist selten das Herz, das Sanftmut predigt.
Mehr das, das aufstandshungrig, rebellisch sich betätigt.
Mit Klopfen gegen Brüste
forscht es nach, was es vom Willen erobern kann,
tut geschockt und entrüstet
und hat damit oft die ganze Nacht
im Überfluss die Oberhand.
Doch morgens, wenn analysiert wird
im Ratiogewand,
fehlt dann oft einfach die richtige,
rechte Tat zum Drang.

Es schlagen, ach zwei Seelen in meiner Brust.
Die eine heisst Euphoria,
sie macht Krach, tut also das, was eine
Seele machen muss.
Sie ist stürmisch, gar orkanisch!
Und dann gibts noch Miss Mut,
die traut sich so ziemlich gar nichts.

«Regieanweisung Doppelpunkt: Euphoria tritt auf:»

Wir brauchen ein paar aufgeblähte Nüstern
und ein gesträubtes Haar,
einen rauen Ton
gegen das ewig betäubte «Ja»!
Und dann müssen wir ernsthaft fest
die Stirn in nie vergessende Falten legen,
in denen wir alles sammeln, was uns jemals erzürnt.
Dort muss es brodeln, bis es schwappt.
Wir zünden es an und fackeln es ab!
Wir eliminieren, was uns am Nacken so kratzt!
Denn es reicht und wir haben es satt!

«Regieanweisung Doppelpunkt: Miss Mut tritt auf:»

Ich hab noch nie so eindrückliche Schuhrillen gesehen.
Und einen so festen Stand.
Du hast eine wunderschöne Faust
an deiner von Gesten gemästeten Hand.
Deine Stirn ist ein runzelndes Meer,
jeder deiner Blicke ein Statement –-
gesetzt in den Sand.

Jeder Atemzug ist schnaubender Sturm
und vermessener Brand.
Du bist so Hannibal, wenn du vor Türen stehst.
Ich mach auf, und sag, dass du dich setzen kannst.

«Euphoria Doppelpunkt:»

Ich ziehe gen Arc de Triomphe!
Kommst du mit, oder bist du zu wenig stark?

«Regieanweisung Doppelpunkt: Erzählerstimme labert: Und als Euphoria ausführte wie man richtig rebelliert,
war Miss Mut erschrocken, echauffiert und schockiert.»

«Miss Mut Doppelpunkt:»

Mir fehlt hier der Ort,
der immer gut durchblutet ist,
der weiss, was gut und Gutes ist,
wo Wut rechtens oder gänzlich blutlos ist.

«Euphoria Doppelpunkt:»

Ich hab nie ein Herz schwitzen sehen,
falls du das meinst,
doch manchmal höre ich es zittern.
Wie lang willst du noch warten, sitzen, reden,
bis der Feind denkt, wir seien uns nicht sicher?

«Miss Mut Doppelpunkt:»

Kamerad? Ich glaub, ich zweifele doch.
Wo ist die Waage, wo ist der Kopf?
Wo sind die Tage, wo ist der Knopf?
Du bist ein Streitross,
ich bin ein Fohlen.
All die Fahnen und Parolen.
Ich hab Angst, wir wachen eines Tages
auf und du sagst:
«Komm wir holen uns Polen!»
Wo ist die Waage, wo ist der Kopf?

Wir haben uns ein Haus gebaut.
Ich räume Zweifel ein,
du wieder aus.
Ich hab im Regal da oben in der Ecke
ein Bügeleisen, um Wogen zu glätten –
warum bügeln wir denn nicht?!
Der ewige Krawall macht mich müde,
dich denn nicht?

Ich bin gerne Pyroknaller. In deinen bebenden Händen.
Olympisch und ewig brennend.
Aber was bringt das, wenn wir damit an Orte gehen,
wo sie uns weder verstehen noch kennen?

«Regieanweisung Doppelpunkt: Es ist Nacht. Miss Mut und Euphoria liegen Grashalme kauend auf einer Wiese und schauen in den Sternenhimmel.»

«Miss Mut: Doppelpunkt:»

Weisst du noch, wie wir die Welt ändern wollten?

«Euphoria Doppelpunkt:»

Hmm jah. Du sprachst von Bügeln, ich sprach von Kampf.
Am Ende war nix, nur die Pläne verbannt.

«Miss Mut Doppelpunkt:»

Du sprachst von Kampf, ich sprach von Frieden,
Doch guck uns an, wie gemütlich wir hier liegen.

«Epilog Doppelpunkt:»

Kennst du die Ruhe vor dem Sturm?
Kennst du den Sturm?
Dann kennst du sicher auch diese Ruhe nach dem Sturm.
Diese Ruhe ist keine Ruhe. Sie ist enttäuschtes Schweigen.
Was sich immer gewindet,
ist heut von Neuem leise.

In der Kolumne Alltag in ... beschreiben die Journalistin Iren Meier und die Poetry Slammerin Fatima Moumouni abwechselnd das, was sie an den Orten, an denen sie sich bewegen, beobachten - von Zürich bis in den Nahen Osten.

  • Fatima Moumouni,

    *1992, war 2012 bayrische U20-Meisterin und deutschsprachige U20-Vizemeisterin im Poetry Slam. Sie schreibt schnelle, laute Texte, tritt damit seit fünf Jahren auf Bühnen
    im gesamten deutschsprachigen Raum auf und schwenkt seit fünf Jahren einen Ausländerausweis in ihren Händen – sie wohnt seitdem in der Schweiz.