Neue Wege 5.22: begehren und begehrt werden

Redaktion Neue Wege, 21. April 2022
Neue Wege 5.22

Ob und wie in Kriegszeiten über das erotische Begehren nachgedacht werden kann, fragt die Theologin Andrea Bieler eindringlich. Sie sieht erschreckende Parallelen zwischen den gewaltvollen Begierden, die den Krieg befeuern, und dem sexuellen Begehren. Ihre Lektüre des biblischen Hoheliedes beschönigt die Verstörung und die Brüche nicht, die vor den aktuellen Geschehnissen in der Ukraine und anderswo eine traurige Aktualität bekommen.

Auch für den Lyriker Ozan Zakariya Keskinkılıç ist die Auseinandersetzung mit «begehren und begehrt werden» eine gesellschaftliche Herausforderung. Er spricht davon, wie der antimuslimische Rassismus den Islam als homophob imaginiert und damit queeren Muslim*innen die Existenz gewaltvoll abspricht. Der Lyriker findet treffende Worte dafür, wie Sexualität eine Schlüsselrolle in der Sphäre des Politischen spielt. Sein Plädoyer für mehr Raum für Ambiguitäten und lyrische Zwischentöne ermutigt.

Dass historische Quellen, die lange als ermutigend gehandelt wurden, dieses Versprechen heute nicht mehr zwingend einlösen, wird in der Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Mystikerin Mechthild von Magdeburg deutlich. Die Theologin Elke Pahud de Mortanges liest die Texte der Begine Mechthild mit einem heutigen, feministischen Blick, der geprägt ist von kritischen Kampagnen gegen sexualisierte Gewalt wie #metoo und einem veränderten Verständnis von Beziehung, Konsens und Sexualität. Sorgfältig trennt sie das unverändert Inspirierende vom Veralteten.

Donat Blum rückt in seinem literarischen Beitrag das Begehren nach einem anderen Menschen ganz in die Nähe zum Begehren nach Gott – «begehren und begehrt werden» sind bei ihm menschliche Grundzüge, in denen sich die Erfahrung des Göttlichen spiegelt.


Inhalt

«Wie ein Puzzlestück, das falsch liegt»
Neue Wege-Gespräch mit Ozan Zakariya Keskinkılıç

Begehren und Begierde
Andrea Bieler

Zù eres Dios
Donat Blum

«Er liebt sie mit aller Macht auf dem Lager der Minne»
Elke Pahud de Mortanges

Anstoss: Erziehung als Praxis der Freiheit
Marilyn Umurungi

Gefühlsduselei: Kinderfragen
Geneva Moser

Nadelöhr: Nein zu Frontex in Zeiten des Kriegs
Matthias Hui

Bildstrecke: abfackeln
Graphic Novel von Nino Bulling

Bestellung (Einzelheft, 32 Seiten, CHF 10.-):

Administration Neue Wege
Postfach 1074
8048 Zürich

079 317 43 69 (Bürozeiten)
info@neuewege.ch