Dürre

Fatima Moumouni, 1. März 2018
Neue Wege 3/2018

Ich hab die Dürre gesehen.
Ich hab gesehen, wie die Hitze sich über
die Stadt legt und brennt.

Ich hab die Dürre gesehen.
Ich hab gesehen, wie Staub sich über die
Stadt legt. Und Rohre, die husten.

Ich hab die Dürre gesehen.
Ich hab die Dürre gesehen und wie das
Meer salzig lacht.

Ich hab die Dürre gesehen.
Im Urlaub in Cape Town.

Ich hab die Dürre gesehen.
Und hab mich gewaschen, wenn ich
stank.

Ich hab die Dürre gesehen.
Und wie die Wasserhähne mir trotzdem
noch gehorchten.

Ich hab die Dürre gesehen.
Und den Tafelberg und den Botanischen
Garten.

Ich hab die Dürre gesehen
und fliege wieder heim.

Ich wollte noch nie nach Südafrika. Zu oft habe ich gehört, dass die «Rassentrennung» dort noch ziemlich spürbar ist. Dem wollte ich mich nicht aussetzen, und dem wollte ich auch keinen Rappen Tourigeld beisteuern. 2015 hörte ich dann von den Studierendenprotesten. Ich war begeistert von den Dekolonialisierungsbewegungen, die folgten. Ich sprach im Laufe der nächsten Jahre mit einigen schwarzen und muslimischen FreundInnen, die in Cape Town, Durban oder Johannesburg gewesen sind, dort AktivistInnen kennen gelernt hatten und erfrischt und inspiriert zurückkamen in den schläfrig zähen Diskurs über Rassismus in der Schweiz und Deutschland. Ich lernte zwei Slampoeten aus Südafrika kennen, die mich ermutigten, das Land zu besuchen, schon allein wegen der Spoken Word Szene, die sowohl in Cape Town als auch in Johannesburg besonders spannend ist. Ich vergass die absurden Reisekataloge, die weissen EuropäerInnen Afrika als exotischen Zoo schmackhaft machen sollten. Als teures Urlaubsparadies inmitten der Ruinen des Apartheidregimes. Ich vergass mein persönliches Boykottvorhaben und landete Anfang des Jahres doch noch in Südafrika. Ein paar Tage vor Abflug erfuhr ich erst von der Dürre, die Cape Town seit drei Jahren plagt, inzwischen aber so ernst geworden ist, dass «Day Zero» zu kommen droht, an dem alle Wasserreserven der Stadt aufgebraucht sein werden. Ich fragte mich, wie legitim es ist, trotzdem hinzufliegen, erzählte mir selbst etwas von meinem Beitrag zum südafrikanischen BIP, nahm mir vor, Wasser zu sparen und trat die aufregende Reise an.

Am Flughafen sind in den WCs die Wasserhähne abgestellt, stattdessen sind Spender mit Desinfizierungsmittel aufgestellt.

Die Innenstadt ist voll mit Touris. Viele SchweizerInnen, viele Deutsche. Entweder Backpacker oder Edeltouris. Das Hostel ist schrecklich. Ich werde von lauter Punkrock-Musik und lauten Partytouristen empfangen. Im WC klebt ein GC-Zürich-Sticker. Ausserdem ein Zettel, der empfiehlt, wegen der Dürre nicht länger als zwei Minuten zu duschen. Falls man das Wasser laufen lässt, um zu warten, bis es warm wird, solle man einen Eimer unter den Duschkopf stellen. Am Nachmittag beginnt ein Polterabend an der Hostelbar (also der Rezeption). Hier werde ich nicht lang bleiben. Das Hostel befindet sich in der Long Street. Das hätte mir eine Warnung sein sollen, sie erinnert an die Langstrasse in Zürich. Eine gentrifizierte Partymeile. Gleichzeitig eine Tourimeile.

Es laufen viele schwarze Bettler herum. Ein paar weisse Touris sitzen vor einem Tourishop, der wahre afrikanische Erlebnisse verspricht. Sie nehmen an einem Trommelkurs teil und hauen unbeholfen auf ein paar Bongos herum. Sie tragen Gewänder aus verschiedensten Ländern Afrikas, wahrscheinlich aus dem Geschäft ein paar Häuser weiter, das «Custom designed African Culture» (massgeschneiderte afrikanische Kultur) verkauft. Ich schäme mich ein wenig fremd.

Ein Kollege erzählt mir, er sei mit Leuten befreundet, die in Townships leben. An einigen Orten werde das Wasser schon reguliert, er müsse seinen FreundInnen manchmal aushelfen. Im Café, in dem wir sitzen, erzählt uns der Kellner, es sei nun unter Geldstrafe verboten, den Gästen gratis Leitungswasser auszuschenken. Wie gut, dass ich mir auch abgefülltes Wasser leisten kann.

Brendan, ein Strassenjunge, weiss nicht, was er tun wird, wenn das Wasser noch knapper wird. Leon, Mitarbeiter im Hostel, wird zurück nach Johannesburg gehen. Matt, Abenteurer und Auswanderer, wird zurück nach Irland gehen. Oder woandershin. Saadiq weiss nicht genau, wie er den täglichen Gang zur Abholung der Wasserration mit der Arbeit vereinbaren soll, sollten bald alle Wasserhähne abgestellt und Verteilungsstellen eingerichtet werden. Natasha hat sich noch keine Gedanken gemacht. Sie muss sich heute erstmal was zu essen besorgen.

Im Fernsehen wird verkündet, Schulen in der Innenstadt würden mit Wasser beliefert werden. Nicht so die Schulen, die nicht in der weissen Innenstadt liegen. Es gibt Hotels, die auf ihren Websites die kritische Wassersituation leugnen und ihren Gästen versprechen, ihr Aufenthalt würde nicht von der Dürre beeinträchtigt werden.

Der Taxifahrer zum Flughafen ist Kongolese. Er ist seit zehn Jahren in Südafrika, um ein besseres Leben zu haben. Dabei ist der Kongo doch mit seinen Ressourcen das reichste Land der Welt! Hier in  Cape Town haben sie nicht einmal Wasser! Löwen? Ja, aber die gibt es im Kongo auch. Und Okapis! Und Gorillas! Und Diamanten! Und Coltan!

Nur keine Touris, die all das besuchen, weil man ihnen dort nicht garantieren kann, dass sie Leid und Unrecht unbedarft ignorieren dürfen.

In der Kolumne Alltag in ... beschreiben die Journalistin Iren Meier und die Poetry Slammerin Fatima Moumouni abwechselnd das, was sie an den Orten, an denen sie sich bewegen, beobachten - von Zürich bis in den Nahen Osten.

  • Fatima Moumouni,

    *1992, war 2012 bayrische U20-Meisterin und deutschsprachige U20-Vizemeisterin im Poetry Slam. Sie schreibt schnelle, laute Texte, tritt damit seit fünf Jahren auf Bühnen
    im gesamten deutschsprachigen Raum auf und schwenkt seit fünf Jahren einen Ausländerausweis in ihren Händen – sie wohnt seitdem in der Schweiz.