Keine Treffer gefunden.

Al Quds – die heilige Stadt

Matthias Hui, 1. April 2018
Neue Wege 4/2018

1947 machten die Staaten in der UNO einen letzten Versuch mit einem Friedens- und Teilungsplan für Palästina. Er scheiterte. Die Entwicklung zur Gründung allein des Staates Israel, zu Krieg und zu Vertreibung nahm ihren Lauf. Jene Resolution 181 der UNO-Generalversammlung sah Jerusalem als Corpus Separatum unter internationaler Treuhandschaft vor. Weder jüdisch, noch arabisch, weder einem israelischen noch einem palästinensischen Staat zugehörig.

2017 anerkannte der US-Präsident Jerusalem als Hauptstadt Israels. Die Herrschaft über die ganze Stadt seit der Besatzung von 1967 und die Annexion der palästinensischen Teile sollen besiegelt werden. Der palästinensische Theologe Mitri Raheb nannte Trumps Entscheidung ein «imperiales Dekret». Geopfert zu werden auf dem Alter von Imperien sei für Menschen in Palästina nichts Neues. Auf lange Sicht – eine biblisch-historische Erfahrung – allerdings hätte keines der Imperien das letzte Wort.

Heilige Stadt? Davon sprach der US-Vizepräsident im Januar 2018 in der Knesset. Es sind die biblischen Bezüge und göttlichen Verheissungen, das zweitausendjährige Exil und die Auferstehung aus der Asche des Holocausts, mit denen er den Anspruch auf Jerusalem als israelische Hauptstadt begründete. Pünktlich zum 70. Jahrestag der Staatsgründung (dem Datum, das für PalästinenserInnen die Vertreibung markiert) verlegen die USA ihre Botschaft nach Jerusalem.

Den USA mag es um historisch begründete Solidarität mit dem jüdischen Staat, aber auch um die Wahrung geostrategischer Interessen gehen. Aber vor allem ist Trump gerade daran, auf Biegen und Brechen Wahlversprechen gegenüber seinen verschiedenen Klientelen einzulösen. Mike Pence ist für die einflussreichen Evangelikalen zuständig. Hier spielt Jerusalem eine zentrale Rolle. Allerdings als Glaubensinhalt, nicht als Stadt mit Menschen in ihrer ganzen Vielfalt. Die ChristInnen Jerusalems, ihre Opposition gegen die US-Politik, ihr Credo für ein inklusives, demokratisches Land, sind Mike Pence egal.

Führt das Konzept der Stadt als heiliger zwangsläufig zum Heiligen Krieg? Zur gewaltsamen Ausgrenzung jener, die nicht zum heiligen Bezirk, zur Macht vorgelassen werden sollen? Wenn die Heiligkeit als religiös (je nach Epoche christlich, muslimisch oder jüdisch) ummäntelter politischer Besitzanspruch der einen über die anderen verstanden wird, ist Unterdrückung logische Konsequenz.

Die Wurzel «heilig» findet sich im hebräischen Begriff hekdesh für etwas, das kein Besitz sein kann, weil es für einen heiligen Dienst vorgesehen ist. Rabbiner David Meyer brachte diesen Gedanken kürzlich für Jerusalem ins Spiel: Heiligkeit nicht nur für das jüdische Volk, sondern für die gesamte Menschheit. Auf Arabisch heisst Jerusalem mit derselben Wortwurzel Al Quds, die Heilige. Im inklusiven Corpus separatum könnten weitreichende Umbrüche ihren Ausgang nehmen. Im Zentrum stünde dann die Heiligkeit der Würde und Rechte der konkreten Menschen. Dafür und nur dafür wäre zu beten und auch aus Kirchen, Synagogen und Moscheen heraus zu kämpfen.

In der Kolumne Nadelöhr setzt Matthias Hui sich jeden Monat mit gesellschaftspolitischen Zeichen der Zeit auseinander. Jesus soll gesagt haben, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe als ein Reicher in das Reich Gottes.

  • Matthias Hui,

    *1962, ist Co-Redaktionsleiter der Neuen Wege, Theologe und Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation humanrights.ch.